Offener und starker Rundfunk statt private Social-Media-Monopole

Die Regierungen des Bundes und der Länder müssen einen neuen Rahmen für guten Journalismus schaffen. Dies geht nur mit einem starken Rundfunk auf offenen Plattformen, damit die politische Kommunikation im Land nicht immer weiter von privaten Social-Media-Monopolen und den Eigeninteressen ihrer Besitzer gesteuert wird. Das haben freie Mitarbeitende aus ganz Deutschland auf dem Freienkongress 2025 beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt gefordert. Zusammen mit Gästen aus Medien und Politik haben sie die drängenden Fragen diskutiert – von der zunehmenden politischen Macht der Social-Media-Plattformen, über KI und die Existenzsicherung für Freie bis zum Reformstaatsvertrag. Eingeladen hatte der ARD-ZDF-DLR-DW-Freienrat.

Klar, ohne freie Mitarbeitende sähe das öffentlich-rechtliche Programm ganz schön blass aus. Und doch merken Freie im Rundfunk täglich: Der Druck von außen steigt. “Wir erleben zum ersten Mal in der Geschichte, dass die Existenzberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angezweifelt wird”, so Stefan Tiyavorabun, SWR-Journalist und Vorstandsmitglied des Freienrats. Er führte durch die Podiumsdiskussion zum Reformstaatsvertrag und der Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen. Von der Politik sei da nicht viel zu erwarten, sagte Mika Beuster, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). “Wir erleben Politikerinnen und Politiker, die Medienpolitik nicht mehr gestalterisch angehen. Stattdessen machen sie Medienpolitik zum Spielball.”

Mika Beuster (DJV), Florian Hager (HR), Heiko Hilker (Dresdner Institut für Medien, Bildung und Beratung) im Gespräch mit Moderator Stefan Tiyavorabun (Vorstand Freienrat, SWR). Foto: Jan-Markus Holz

Auch Florian Hager, Intendant des Hessischen Rundfunks und ARD-Vorsitzender, fand deutliche Worte für die politische Lage. Man könne nicht mehr davon ausgehen, dass der Finanzbedarf, den die KEF anmeldet, auch durchgehe. „Unser Geschäftsmodell ist, dass die Gesellschaft uns für so wichtig erachtet, dass es uns gibt“, sagte Hager, im gegenwärtigen (medien)politischen Klima sei „das System mit der Beitragsanmeldung über die KEF unsere einzige Rückversicherung“. Nur die Einhaltung des verfassungsrechtlich abgesicherten Verfahrens garantiere den Bestand und die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Für Heiko Hilker vom DIMBB (Dresdner Institut für Medieninformation und Bildung) „führt der Rundfunkänderungsstaatsvertrag in die Irre“ bzw. mit der kleinteiligen Regulierung und dem engen Fokus auf die Zahl der erlaubten Kanäle den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt in die Irrelevanz. Vor dem Hintergrund der Dominanz des digitalen Debattenraums durch wenige US-Plattformunternehmen plädiert er vielmehr dafür, „über das Gesamt-Mediensystem und dessen medienpolitische Ausgestaltung“ zu diskutieren, statt sich um „den immer kleineren Teil vom Kuchen zu streiten.“

Bei diesen unsicheren Zukunftsaussichten war es den Freien beim Kongress umso wichtiger, enger zusammenzurücken. Sie nutzten Panels, Podiumsdiskussionen und jede Pause dazwischen, um sich zu vernetzen und auszutauschen. Speziell die Themen Altersvorsorge und Bestandsschutz für Freie, Urheberrecht und die Podcast-Strategie der ARD wurden in Werkstattgesprächen heiß diskutiert. Für die drängenden Probleme der freien Mitarbeitenden gibt es in den einzelnen Sendern unterschiedliche Lösungsansätze. Die wahrscheinlich am häufigsten gestellte Frage beim Kongress lautete deshalb wahrscheinlich: “Und wie macht ihr das bei euch so?”

“Können uns Zwist zwischen Verlagen und ÖRR nicht mehr leisten”

Der Freienkongress ist inzwischen – neben einem Ort des Austauschs – auch zu einer medienpolitischen Plattform geworden. In diesem Jahr standen dabei vor allem die Themen KI und die Rolle des ÖRR im digitalen Raum im Mittelpunkt. Spätestens seit der Amtsübernahme von Donald Trump ist klar, wie gefährlich es ist, den digitalen Raum den großen Tech-Giganten zu überlassen. Ein Rückzug des ÖRR von den großen Plattformen könne nicht die Lösung sein, so Florian Kumb, Direktor Audience beim ZDF. “Denn die Alternative ist, dass man den gesellschaftlichen Diskurs auf diesen Plattformen ohne gesicherte Informationen führt”. Zeitgleich müssten neue, eigene Angebote geschaffen werden. “Aber bitte gemeinsam mit gesellschaftlichen Akteuren, wie Universitäten und Bibliotheken”, forderte Björn Staschen. Er ist Journalist und Mitinitiator der Kampagne “Save Social”. “Wir sollten nicht nur das Eigene stärken, sondern auch gemeinsam mit anderen etwas Gutes schaffen.”

Florian Kumb (ZDF), Helge Lindh (SPD), Björn Staschen (NDR) im Gespräch mit Moderator Stefan Müller (HR). Foto: Jan-Markus Holz

Den alten Zwist zwischen Verlagen und ÖRR könne man sich angesichts der übermächtigen amerikanischen und chinesischen Plattformen gar nicht mehr leisten, hieß es dazu aus dem Publikum. Auch SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh sagte: “Die Verlage und die Öffentlich-Rechtlichen schauen gerade vor allem auf ihre eigenen Befindlichkeiten. Jede Sterbensverhinderung wird da für sich betrachtet. Dabei müsste es doch darum gehen, gemeinsam eine Überlebensgemeinschaft zu bilden.”

“Dickes Brett” geht an die MDR-Freienräte

Nach zwei Tagen Freienkongress blieb am Ende nur noch eine Frage übrig: Wer darf das “dicke Brett” mit nach Hause nehmen? Mit dem Preis zeichnet der Freienkongress seit 2018 Kolleginnen und Kollegen aus, die sich mit besonders viel Mut und Ausdauer für die Rechte freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt haben. In diesem Jahr durften sich die Kolleg*innen von den MDR-Freienräten freuen. Begründung der Jury: Trotz der Änderung im Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) schließen die MDR-Länder immer noch freie Mitarbeitende aus den Personalräten aus. Und dennoch zeigen die Freien in drei Flächenländern an fünf Standorten Präsenz. Weiterbohren!

Jan-Markus Holz (MDR-Freienrat) und das Dicke Brett in der Mitte, mit dem Vorstand des Freienrats und dem HR-Organisationteam (v.l.n.r: Christoph Reinhardt, Stefan Tiyavorabun, Sylvia Kuck, Stephanie Hajdamowicz, Christian Arndt). Foto: Olaf Parusel.

(Stichwort Freienrat: Der Freienrat bündelt die Interessenvertretungen für Freie der Sender – seien es Personalräte (NDR, RB, WDR, SWR, HR, SR, ZDF, DW, RBB) oder Freienvertretungen (BR, Deutschlandradio, MDR). Der Freienkongress findet jährlich im Frühjahr statt und ist offen für alle Freien der öffentlich-rechtlichen Sender. Die diesjährige Schirmherrschaft teilten sich der Intendant des Hessischen Rundfunks Florian Hager und der Gesamtpersonalrat des HR. Die organisatorische Verantwortung im Hessischen Rundfunk hatten Sylvia Kuck und Christian Arndt).

Text: Mirjam Benecke

Ansprechpartner Freienrat:
Stephanie Hajdamowicz
Christoph Reinhardt
Stefan Tiyavorabun